Wieder
sind interessante Stunden und Tage vorüber. Wiederum musste ich in stiller,
dunkler Nacht voraus und hatte tiefes Erleben! Das Bataillon sollte weiter
vorne Stellung beziehen. Das war nur möglich von Abend bis Tagesanbruch. Also
wurde nachts aufgebrochen, kein Wort wird laut gesprochen, kein Ruf durchtönt
die Stille, keine Zigarre oder Pfeife darf erglühen. Ich fahre allein den
umheimlichen Waldweg. Der Mond verbirgt sein Gesicht hinter Wolken. Kein
Gewehrschuß ist zu hören. Es ist nachts zwischen zwei und drei Uhr. Mein
Tempo wird rascher in der furchtbaren Stille, da und dort liegen dunkle
Flecken und aufgeblähte Körper von Roß md Reiter. Haufenweis zusammengeschleppt
liegen übel-riechende Leichen gefallener Türken und Franzosen. Und plötzlich
ein Ruck, ich stürze vom Rad. Schrecken erfaßt mich. Der Tod ergreift mich mit
knöchernen, stinkenden Händen: Ich liege auf den faulenden Resten zweier
gefallener Türken. Die Linke umkrallt die Backen und Augenhöhlen, Gesicht und
meine Rechte stoßen in die Rippen des entblösten Körpers. Nun rette mich Tod
oder Teufel. Doch Pflicht ruft zum Bewußtsein. Ich fahre rasch weiter und sehe
mich nach zehn Minuten einem französischen Vorposten von drei Mann gegenüber.
Der Kommandeur und sein Begleiter kommen zu rasch hinten nach. Sie drehen, als
sie mein Warnungszeichen mit der elektrischen Lanze sehen. Zugleich sausen
schon die Kugeln der Posten an meinem Ohr vorbei. Ich stürze vom Rad. Sie
eilen herbei, aber mein erster Schuss und der erste fiel. Die zwei anderen
stoppen und verbinden sofort den stöhnenden Kameraden. Auf einen leisen Pfiff
rappelte der ganze Wald zu beiden Seiten der Straße, Hundert Tritte dröhnen.
Ich ahne Gefahr, schwing mich aufs Rad. Da pfeift´s auch schon und ein
schriller, brechender Knall und noch einer sitzt in meinem Rad. mein Blut
kocht, all meine Kraft raff´ ich zusammen, der Kommandeur jagt schon davon.
Zwei Schuss durchrissen die Speichen am Vorderrad, einer durchbohrte die
Lenktange, doch kam ich mit heiler Haut davon. Der Feind, bis zu hundert
Mann stark jagt auch schon auf
die Straße und die herankommenden zwei Haubitzebatterien, die nun rasch,
aber in Ruhe Krach machen und davonjagen. Ohne ernstlichen Verlust - nur
Streifschüsse - gelangten wir zurück und fanden geeignete Stellungen, wo sofort
Deckungen gegraben wurden.
Schnell hatten die deutschen Truppen fast ganz Belgien und einige Gebiete in Nordostfrankreich erobert. Schon im Herbst in der Schlacht an der Marne kam der deutsche Vormarsch zum Stehen. Der Stellungskrieg in Flandern vor Verdun und in Nordfrankreich mit seinen ungeheuren Menschenopfern hatte begonnen.